Alphorn und Didgeridoo im Blechbläsertraining
Was für Sportler Krafttraining, ist für Blechbläser das Alphornspiel!
Entwicklungsgeschichtlich und blastechnisch gesehen ist jedes Blechblasinstrument ein Alphorn. Das Alphorn bietet sich als zusätzliches Trainingsinstrument für alle Blechbläser an. Da auf dem Instrument ohne eine sehr gute Atmung und Stütze absolut „nichts geht“, eignet es sich ausgezeichnet zum Training dieser für alle Blechbläser äußerst wichtigen Bereiche.
Meist spielt man auf dem Alphorn im hohen Bereich der Naturtöne. Dies erfordert ebenso hohe Atem- wie Lippenkraft, und das Alphorn eignet sich bestens dazu, diese mit relativ geringem Zeitaufwand zu trainieren. So erfordert z. B. eine Stunde Alphorn Üben ungefähr die gleiche Ansatzkraft wie zwei Stunden Posaune Üben.
Das heikle Ansprechen und schnelle Wegkippen der Töne, die sogenannte „Kieks- oder Gurkenanfälligkeit“, erfordert vom Bläser eine optimale Koordinationsfähigkeit von Ansatz, Zunge und Stütze. Als „Kiekser“ oder „Gurke“ bezeichnen die Blechbläser verkorkste, nicht richtig getroffene Töne. Die Schweizer Alphornbläser nennen sie „Schränzer“. Das Üben auf dem Alphorn führt recht schnell zu einer enormen Verbesserung des Ansatzes auf jedem Blechblasinstrument: in der hohen Lage, bei der Ausdauer und bei der Treffsicherheit.
Blechbläsern bietet das Alphorn folgende Vorzüge:
- Es hat weder Ventile noch Klappen noch sonstige Hilfsmittel und man kann sich somit voll auf den elementaren Blasvorgang konzentrieren.
- Es zwingt einen, gut zu atmen und zu stützen und man entwickelt schnell das Gefühl für das Aufrechterhalten einer langen Luftsäule.
- Hoher Trainingseffekt gepaart mit Zeitersparnis: Die Muskulatur der Lippen und des Atmungsapparats wird effektiver trainiert als bei einem Instrument aus Metall. Der Grund: Die Wandstärke eines Blechblasinstruments beträgt weniger als ein Millimeter, beim Alphorn sind es zwischen sieben und zehn. Das Material Holz ist schwerer in Schwingung zu versetzen als Metall. Man muss also mehr Masse und mehr Gewicht bewegen. Dies bedeutet mehr Kraftaufwand. Die Konsequenz: In weniger Übungszeit wird die Muskulatur effektiver trainiert als bei einem Blechblasinstrument. Man spart Zeit!
- Um interessante Melodien zu spielen zu können, muss man im hohen Bereich der Naturtöne spielen und man spielt meist im langsamen Tempo, ein perfektes Ausdauer- und Höhentraining!
- Das Alphorn verzeiht nichts, auch nicht den kleinsten Fehler! Man ist gezwungen die Töne sehr genau anzublasen und zu stützen. Kleinste bläserische Fehler bei Ansatz und Stütze werden sofort durch falsche Töne und „Kiekser“ bestraft - frustrierend - aber fürs Lernen sehr effektiv!
In der Anfangsausbildung sowohl von Kindern als auch Erwachsenen, die ein Blechblasinstrument erlernen wollen, kann das Alphorn an erster Stelle stehen. Der Bläser-Anfänger beginnt mit einem Mundstück mittlerer Größe. So kann er später leicht auf größere Mundstücke, z. B. bei Tuba oder Posaune, oder auf kleinere, z.B. bei Trompete oder Horn, umsteigen.
Viele professionelle Blechbläser haben den Wert des Alphornspiels für ihre Blastechnik erkannt und spielen das Instrument zusätzlich zu ihrem Hauptinstrument.
Didgeridoo/Alperidoo
Das Blasen eines Blechblasinstruments erfordert viel Kraft und Muskelspannung. Auf der Gegenseite muss entsprechende Entspannung und Lockerheit vorhanden sein, wie die Sportwissenschaft lehrt.
Die meisten Blechbläser haben mehr Probleme mit der Entspannung und mit der Lockerheit als mit der Spannung. Jeder Sportler weiß, dass er nach einer Belastungsphase die Muskulatur wieder dehnen und lockern muss. Hier setzt das Didgeridoo Spiel ein.
Eigentlich wollte ich nie Didgeridoo lernen, denn das war in den 1990er Jahren schon fast zu einer Art musikalischer Mode geworden. Doch dann kauften innerhalb kurzer Zeit drei Didgeridoo Spieler ein Alphorn in meinem „Alphorn-Center“, und jeder spielte gleich wunderbar weich darauf. Da dachte ich mir: Von dieser Blastechnik kannst du vielleicht für dein Posaunen- und Alphornspiel profitieren? Ich kaufte mir ein Didgeridoo, weil ich damals noch nicht wusste, dass man auch auf einem Alphorn Didgeridoo spielen kann. Und in der Tat stellte ich fest: eine wohltuende Auswirkung auf den Blechbläseransatz! Bei diesem steht die Lippen- Gesichts- und Atmungsmuskulatur meist unter großer Spannung. Für das Didgeridoo Spiel ist genau das Gegenteil erforderlich: Man muss die Lippen- und Gesichtsmuskulatur, ja den ganzen Körper sehr locker lassen – Entspannung! Schon nach wenigen Wochen stellte ich eine deutliche Verbesserung meines Ansatzes fest und seither lockere ich meine „Bläsermuskulatur“ mit dem Didgeridoo. In meiner Posaunenstudienzeit hatte ich die „Pferdeübung“ als Lockerungsübung kennen gelernt. Sie geht ganz einfach: Lasse deine Lippen locker und pruste die Luft mit voller Kraft durch sie aus, damit sie richtig stark flattern. Wichtig dabei: Je mehr Anteile deiner Gesichtsmuskulatur schwabbeln, umso effektiver ist die Übung. Durch die intensive Vibration der Lippen- und der Gesichtsmuskulatur lockern sich diese wie bei einer Massage. Einfach aber wirkungsvoll! Jetzt erfuhr ich nach Jahrzehnten, dass dies die Grundübung für das Didgeridoo ist.
Viele moderne Blechbläser spielen auch Didgeridoo. Die beim Didgeridoo übliche Zirkularatmung muss man für den Lockerungseffekt nicht beherrschen. Ich habe zu ihrem Erlernen fast ein Jahr gebraucht und spielte so lange ohne sie. Man braucht auch kein Didgeridoo zu kaufen. Der Mittelteil eines dreiteiligen Alphorns entspricht einem Didgeridoo und ich habe einen speziellen Didgeridoo-Mundstückeinsatz dafür entwickelt. Das Didgeridoo kann man gut autodidaktisch erlernen, wie ich es auch getan habe. Es gibt ein großes Angebot auf CDs, DVDs und YouTube.
(aus dem Buch: Franz Schüssele: Alphorn -Wissen und Praxis)